Moderne Technik revolutioniert jetzt Wirbelsäulenoperationen am Orthopädischen Spital Speising in Wien: Dank innovativer Software und 3D-Druck können Operationen bis auf Zehntel Millimeter exakt geplant und durchgeführt werden. Mit dem Programm MySpine ist Speising ein Vorreiter in Österreich.
Pedikelschrauben stabilisieren Wirbelsäule
Die neue Technik eignet sich für alle Patienten, deren Wirbelsäule stabilisiert werden soll. Abnutzungserscheinungen, Unfälle oder Infektionen können es notwendig machen, ein oder mehrere Wirbelsegmente zu versteifen. Dafür werden sogenannte Pedikelschrauben in die Wirbelsäule eingepasst (1). Diese Schrauben zeichnen sich durch ein selbstschneidendes Gewinde aus, das sich zur Stabilisierung in die Knochen der Wirbel eindreht.
Schweizer Technik mit 3D-Print
Die neue Technik trägt den Titel MySpine. Sie wurde von der Schweizer Firma Medacta erarbeitet. Dieses Unternehmen ist in Castel San Pietro angesiedelt und bezeichnet sich als Pionier bei der Entwicklung von minimalinvasiven chirurgischen Techniken.
Bereits der Name MySpine weist darauf hin, dass diese Innovation echte Individualität bei Wirbelsäulenoperationen ermöglicht. Laut Medacta bietet MySpine vier große Vorteile gegenüber bisher üblichen Techniken:
- Geringe Röntgenstrahlung
- Interaktive 3D-Webplanung
- Genaue Positionierung
- Reduzierung von Zeit und Kosten
Der erste Schritt zu einer stabilisierten Wirbelsäule besteht darin, eine Computertomographie anzufertigen. Bereits hier unterscheidet sich das Programm von herkömmlichen Methoden. Medacta hat dafür ein spezielles Protokoll erarbeitet, das die Strahlenbelastung minimiert.
Mithilfe eines Softwareprogramms berechnet der Computer anschließend die exakte Größe und Lage der Schrauben. Natürlich überprüft der Operateur die erhaltenen Daten vom Computer noch einmal sorgfältig. Anschließend lässt er einen 3D-Druck vom betreffenden Segment der Wirbelsäule anfertigen.
Perfekte Vorbereitung für OP
Auf diese Weise kann sich der Operateur perfekt auf die Operation vorbereiten, denn jeder Mensch ist verschieden und keine Wirbelsäule gleicht genau der anderen. Ein 3D-Modell zu betrachten ist wesentlich einfacher, als sich die Operation anhand zweidimensionaler Bilder vorzustellen (2). Außerdem erleichtert es mögliche Entscheidungen bezüglich der Lage und Platzierung der Pedikelschrauben.
Patienten profitieren ebenfalls von dem 3D-Druck ihrer Wirbelsäule. Sie können genau verstehen, was ihnen der Operateur erklärt. Das führt dazu, dass sie die Risiken besser einschätzen können – und auch verstehen, welche delikate Operation ihr Arzt ausführt (3).
Ergebnis der exakten Planung vor der Operation ist schließlich eine Schablone, die in der medizinischen Fachsprache Schnittlehre genannt wird. Dieses chirurgische Instrument wird ebenfalls per 3D-Druck erstellt. Es ermöglicht die Platzierung der Schrauben während der Operation bis auf Zehntel eines Millimeters genau.
3D-Technologie verringert Risiken
Operationen an der Wirbelsäule bergen naturgemäß zahlreiche Risiken. Austretende Nervenverbindungen, wichtige Muskelstränge oder sogar das Rückenmark können bei Operationen verletzt werden. Doch die Verwendung von 3D-Technologie hilft, diese Risiken enorm zu verringern (4).
Die individuelle Schnittlehre für die Operation verkleinert nicht nur das Risiko. Die enorme Genauigkeit der speziell angefertigten Schablone für jeden Patienten erlaubt es auch, die Schrauben völlig neuartig zu positionieren. Das Ergebnis ist eine wesentlich stabilere Befestigung. Das macht die innovative Technik besonders geeignet für Patienten, die an Osteoporose leiden (5).
Kürzere Operationszeiten
Mehrere Studien belegen, dass die Anwendung von Schnittlehren wesentlich kostengünstiger und effektiver ist als Operationen, die mit Hilfe komplizierter Computersysteme gesteuert werden (6) (7). Ein wichtiger Aspekt von MySpine ist die Tatsache, dass die Technik die Operationszeit deutlich verkürzt.
Für Patienten bedeutet das: Sie verbringen weniger Zeit in der Vollnarkose. Das reduziert die Risiken dieser Operation zusätzlich, denn eine lange Dauer der Narkose erhöht die Risiken für Komplikationen nach der Operation, zum Beispiel venöse Thromboembolien (8).
Erfolgreich erprobt im Spital Speising
Die ersten Operationen wurden im orthopädischen Spital Speising in Wien bereits im Sommer 2019 erfolgreich durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die hohe Genauigkeit der MySpine-Methode das Operieren wesentlich verbessert. Die bisherige Erfahrung belegt: Kürzere Schnitte und weniger Verletzungen von Muskelfasern sind Ergebnisse der neuen Technik mit zahlreichen positiven Folgen. Für die Patienten bedeutet die neue Technik: Während der Heilungsphase leiden sie weniger Schmerzen. Außerdem können sie sich nach der Operation schnell wieder bewegen.
Fazit: MySpine vereint die Anwendung von Software und 3D-Druck perfekt. Die innovative Methode erlaubt, Pedikelschrauben bis auf Zehntel von Millimetern genau zu positionieren. Echte personalisierte Medizin verkürzt die Operationsdauer, verringert Risiken und Komplikationen und führt zu rascher Mobilität – eine überaus positive Entwicklung, von der Patienten und Ärzte gleichermaßen profitieren.
Quellenverzeichnis:
- Son, Seong & Lee, Sang & Park, Chan & Kim, Woo. (2012). Minimally Invasive Multilevel Percutaneous Pedicle Screw Fixation for Lumbar Spinal Diseases. Korean Journal of Spine. 9. 352. 10.14245/kjs.2012.9.4.352. (https://www.researchgate.net/publication/273287795_Minimally_Invasive_Multilevel_Percutaneous_Pedicle_Screw_Fixation_for_Lumbar_Spinal_Diseases)
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